Gastbeitrag von Marco

Mein Bali – ein Ausschnitt

 

 

Bagus, bagus? Alles Gut? Mit Daumen, die nach oben zeigen, steht Katut vor mir und strahlt mich mit breitem Lächeln an. Katut, zweites von acht Kindern, etwa 70 Jahre, aufgewachsen in dritter Generation einer Masseur- und Heilerfamilie. Er ist sichtlich stolz auf seine Leistung, meine Schulter in wenigen Sitzungen wieder in einen beweglichen Zustand gebracht zu haben. Ich solle doch den Arm nach oben Richtung Himmel, über den Kopf strecken. Und wirklich, der Schmerz ist weniger. Mit ausgedehnter Gestik erklärt er mir noch die Verwendung seines „magic“ Massageöls, das magische Kräfte haben soll. Zum Abschied presst er noch einige Male mit einem stiftähnlichen Werkzeug einige Akkupressurpunkte in Arm, Rücken und Nacken und hält mir dann das angepriesene Wunderwerkzeug unter die Nase. Bagus, gut…es ist ein Massagestift aus gepresstem Ganja – also Haschisch! Ich glaub es nicht!

 

Am nächsten Morgen, 6:10 Sonnenaufgang in den Reisfeldern. Ich navigiere meinen Honda Scooter 125 über den holprigen ca. 50 cm schmalen Weg zwischen den Reisfeldern und Wasserkanälen hindurch raus zur befestigten Straße. Ein kleiner Fahrfehler und ich lande im Reisfeld, was hier nicht gerade selten vorkommt, erstaunlicherweise auch bei geübten balinesischen Reisbauern. Gerade letzte Woche haben wir unseren Nachbarn samt Moped aus dem Reisfeld gezogen, festgesteckt im knietiefen Schlamm war das kein leichtes Unterfangen.

 

So wie hier, habe ich mich noch nirgends aufs Aufwachen gefreut. Mit dem Wissen aufzustehen, der aufgehenden Sonne, dem leicht in Wolken gehüllten Vulkan entgegen, durch die Reisfelder zu grooven macht mich glücklich. Mein Ziel ist, wie jeden Tag: Yoga Barn, das wohl größte Yogastudie der Welt, ein Yogastudie der Superlative, mit riesigen Shalas mitten im grünen Stadtkern von Ubud. Um 7:00 sitze ich auf meiner Yogamatte. Greg, mein Yogalehrer kanadischen Ursprungs hat bereits einige „Transformationsstufen“ absolviert und ist ein absoluter Profi. Er führt souverän durch die morgendliche Hatha-Kundalini Yoga Einheit. Einatmen und Ausatmen ist die hohe Kunst, nicht nur bei den Yoga Asanas, erklärt er mir. Und so versinke ich in voller Konzentration auf meine Atmung. Beim abschließenden Shawasana - ist gleich Ruhephase - schwebe ich gefühlt über meinem Körper. Aber alles Gute hat sein Ende und eine kleine Bewegung meiner Finger führt mich zurück ins Bewusstsein.

Zurück vom Studio, macht sich bereits spürbare Aktivität in den Straßen Ubuds und des Umlandes bemerkbar. Morgen ist Silent Day, ein hoher Feiertag und wohl der weltweit außergewöhnlichste.  24 Stunden darf kein Licht brennen und kein Flugzeug in den Himmel steigen. Einfach einmal nix machen – herrlich, denke ich mir und kaufe noch ein ausreichend Apple Crumble Pie Schnitten bei Bali Buda, die Urmutter der Veggie-, Vegan-, und Ökoläden!  

Davor wird allerdings noch ausgelassen gefeiert. Ogho, Ogho heißt dieses archaische Fest, dass sich bis Mitternacht erstreckt, bevor die Menschen in Ihre Häuser gehen und diese für 24 Stunden nicht mehr verlassen.

Ogho, Ogho – Dämonen, Geister und Götter sind mit Pappmasche an Draht- und Eisengerüsten umwickelte kunstvoll gefertigte meterhohe Figuren. Die zu fertigen, das ist der Job der Dorfjungend. Gemeinsam gestalten sie die Kreaturen, bunt bemalt, die dann bei Dunkelheit durch die Straßen der Dörfer ähnlich unseren Prozessionen getragen werden. Mit einem Unterschied: Das Tragen gleicht eher einem Tanzen, um die eigene Achse drehen, Rucken und Zucken und wird begleitet durch eine etwa 25 Männer mit unterschiedlich klingenden Trommeln und Schellen. Je länger die Nacht, desto ekstatischer wir die Combo in ihrem Rhythmus. Die Arbeit an den Oghos beginnt schon 3 Monate davor und dient der Dorfjungend der Zusammenkunft und dem sozialen Miteinander. Gemeinsam etwas Kreatives schaffen! Am Tag ihrer Hochzeit müssen sich die Männer aus dem „Ogho Geschäft“ zurückziehen und an die nächste Generation übergeben.

Bei Ogho, Ogho in unserem Dorf treffe ich Koming, einen 28jährigen Fotografen, der mit einem Instragrambild „Sonne, Strand, Welle, Frau“ bei der Community Kultstatus erreicht hat und sich seither vor Aufträgen von Hotels, Retreats und Privatkunden, die sich einen Reisefotografen leisten möchten, kaum retten kann. Beide mit unserer Fuji ausgerüstet treffen wir uns seither zu den diversen Tempelfesten, Umzügen und Feierlichkeiten, um zu plaudern, zu filmen und zu fotografieren. Im Dorf kennt man sich seit Kindheit und jeder kennt und schätzt Komings Arbeit und greift für Hochzeiten gerne auf seine Dienste zurück. Koming ist ein kluger, gut ausgebildeter und geschäftstüchtiger Balinese, der schon viel in Indonesien und in anderen Ländern Asiens herumgekommen ist. Selbstverständlich ist das nicht, typisch allerdings, dass er trotzdem die Kultur und Tradition seines Dorfes ernst nimmt und intensiv mit- und weiterlebt. Vor ein paar Wochen hat er geheiratet - eine Pharmazeutin aus Denpasar. Kennenglernt haben sie sich via Insta über einen Freund, eines Freundes. Das erste Mal getroffen in einem schicken Cafe in Ubud. Danach war sie 4 Jahre im Ausland, der Kontakt blieb bestehen und nach Ihrer Rückkehr war´s dann soweit, sie sind nun verheiratet. 4 Tage hat sein Hochzeitsfest gedauert und das ganze Dorf war mit dabei – inklusive uns. Nach der Hochzeit müssen die Frischvermählten 3 Tage zuhause bleiben – das wollen die Götter so, es dient dem Schutz – vor allem aber um sich zu erholen von all den Vorbereitungen, erklärt mir Koming und zwinkert mir dabei zu.