Die Regenzeit war eine lange. Begonnen hat sie Anfang Dezember, und als wir uns für die Weihnachtsferien nach Tasmanien verabschiedet haben, ist es so richtig losgegangen auf Bali. Dauerregen für mehrere Tage. Und eines Ferientages erreichte uns in der Ferne die Nachricht, dass die Verbindungsbrücke von der Hauptstraße, die uns nach Ubud führt, eingestürzt ist. Zwei Drittel davon sind abgebrochen. Um 3:00 Uhr früh – was für ein Segen, es war niemand unterwegs, und die Anwohner haben das Tosen, das Krachen gehört. Sie standen vor einem riesigen Loch. Eine Absperrung wurde errichtet. Nicht auszudenken, wenn jemand versucht hätte, die Brücke zu überqueren.
Es blieb nur ein sehr schmaler Streifen, ein Steg. Theoretisch ausreichend für ein Moped. Praktisch war davon aber anfangs keine Rede. Anfangs war da die Angst, der Brückenrest könnte ebenfalls Richtung Fluss sausen, und es gab auch noch eine echte Absperrung.
Aber schon nach wenigen Wochen wurden viele des Umwegs überdrüssig – nicht weit, aber gesäumt von Schlaglöchern. Mühsam. Und auf einem Stück auch nicht ganz ohne, weil viele alte, hohe Kokospalmen stehen – und wenn der Regen so ergiebig ist, dann kippt so eine Palme gerne mal. Oder der Sturm fegt über uns hinweg. Eine Kokosnuss auf den Kopf, da hilft dir auch kein Helm mehr. Also: Pest oder Cholera …
Bald haben auch wir uns gemeinsam mit den Dorfbewohnern, Lieferanten, Moped-Taxis an das Loch und die Überfahrt gewöhnt. Und das anfängliche Kribbeln ist nach ein paar Wochen gemeinsam mit der Absperrung verschwunden. Ein paar Bambusstangen liegen noch herum, und Google Maps weist auf die Straßensperre hin. Das Loch wurde inzwischen gesegnet – oder vielleicht auch der Rest der Brücke, das weiß ich leider nicht. So richtig hinschauen mag ich bis heute nicht, wenn ich drüber rausche – es sind mehr als 30 Meter …
So ist Bali auch: kein doppelter Boden. Im Gegenteil, oft muss ein improvisierter, einfacher Boden halten. Und das Vertrauen in die Götter.
Aber ich muss zugeben, die Nerven lagen manchmal blank. Es ist eines, das Chaos zu umarmen; etwas anderes, sich auf Dauer darin einzurichten. Darüber schreiben wollte ich bisher nicht. Jetzt liegt das Loch für mich in der Vergangenheit. Und mit ihm das permanente Rauschen dieser Insel, das Vibrieren des Alltags, die Lücken in der Infrastruktur, das Wissen, dass alles, was heute da ist, morgen schon anders aussehen kann. Und trotz alledem – oder vielleicht gerade deswegen – ist es auch ein Ort voller Leben, Bewegung, Echtheit.
Bali zeigt einem die Abgründe, aber auch, wie man darüber tanzen kann. Mit nackten Füßen. Bar jeder Sicherheit. Aber mit einem Lächeln.
Ich habe gelernt, dass Vertrauen hier nicht unbedingt aus festen Strukturen kommt, sondern viel öfter aus der Improvisation und aus einem leisen inneren "Wird schon gut gehen". Und manchmal ist das genug.
Mit diesem Gedanken im Gepäck reise ich heimwärts. Und nehme etwas Bali mit mir. Nicht den Regen, nicht das Loch. Sondern den Mut, auch auf schmalem Boden zu stehen. Und das Vertrauen, dass sich der Weg zeigen wird, wenn man losgeht.
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Bea (Montag, 14 April 2025 06:54)
Wiedermal großartiger Text, danke Lucia and Family�freu mich auf Wiedersehen mit euch�so eine tolle gelungene Reise chapeau�
Der Weg wird sich zeigen wenn man losgeht����������